Design von Werkstattproduktionssystemen

Bei Werkstattproduktion werden Arbeitssysteme, die gleichartige Funktionen (Operationen, Arbeitsgänge) durchführen können, räumlich in einer Werkstatt zusammengefaßt. Die Arbeitsobjekte (Aufträge, Werkstücke) werden entsprechend den in ihren Arbeitsplänen definierten technologischen Reihenfolgen zu den einzelnen Werkstätten transportiert und dort – evtl. nach einer ablaufbedingten Wartezeit – bearbeitet.

Werkstattproduktion kommt zum Einsatz, wenn eine große Anzahl unterschiedlicher Produktarten mit unterschiedlichen Arbeitsplänen und daraus resultierenden Bearbeitungsprozessen und Materialbewegungen in relativ kleinen Losgrößen produziert werden soll, wobei sich das Produktionsprogramm aufgrund von Nachfrageänderungen und auch die Struktur der Produktionsprozesse als Folge von Verfahrensinnovationen i.d.R. im Zeitablauf dynamisch ändern können. In diesen Fällen ist eine hohe Flexibilität aller Ressourcen erforderlich. Lose müssen flexibel zwischen den Arbeitssystemen transportiert werden können. Die Arbeitssysteme müssen in der Lage sein, ein breites Spektrum von Operationen durchzuführen. Da dies oft mit zeitaufwendigen Umrüstvorgängen verbunden ist, entstehen dynamische Losgrößenprobleme.

Werkstattproduktionssysteme gelten im Vergleich zu anderen Organisationsformen der Produktion als ineffizient, da sie oft mit langen Wartezeiten der Aufträge vor den Ressourcen und folglich langen Durchlaufzeiten bzw. hohen Lager-beständen bei gleichzeitig schlechter Termineinhaltung verbunden sind. Diese Schwächen resultieren vor allem aus dem rüstzeitbedingten Zwang zur Losbildung (Losgrößenbestand und aus dem Einsatz ungeeigneter, kapazitätsignoranter Planungsverfahren, wie sie z.B. im klassischen MRP-Sukzessivplanungskonzept implementiert sind.

Optimierung. Die Bestimmung der optimalen Konfiguration eines Werkstattproduktionssystems verlangt die Fähigkeit des Planers, für jede gegebene Konfigurationsalternative (= Kombination von Entscheidungsvariablen) die relevanten Kenngrößen (Ausprägungen der Zielwerte Bestand, Produktionsrate, etc.) zu bestimmen. Greift man auf die oben diskutierten Ansätze zur Leistungsanalyse zurück, dann kann man nach einer ökonomisch günstigen Ressourcenkombination suchen, die eine gewünschte durchschnittliche Produktionsleistung, gemessen in der Anzahl von Aufträgen pro Zeiteinheit sicherstellt. Dabei sind die durch den Materialfluß bedingten Interdependenzen zwischen den einzelnen Werkstätten sowie dem Transportsystem zu berücksichtigen.

Entscheidungen über die Bereitstellung zusätzlicher Kapazität für einen bestimmten Ressourcentyp werden durch die Erkenntnis ausgelöst, daß bei der aktuellen oder zukünftig erwarteten Arbeitslast ein zu hoher Bestand vor einem Engpaß zu erwarten ist. In dieser Entscheidungssituation stellt sich die Frage, ob die Engpaßleistung durch eine „teure“ Ressource mit hoher Produktionsrate oder alternative durch mehrere „billige“ Resourcen mit jeweils geringerer Produktionsrate bereitgestellt werden soll. Die beiden Entscheidungsalternativen sind mit unterschiedlichen fixen und variablen Kosten für die Ressourcen und den resultierenden Bestand verbunden.

Unterschiedliche technische Ressourcen sind oft auch mit unterschiedlichen Rüstzeiten verbunden. Die Rüstzeiten beeinflussen – soweit die Ressource ein Engpaß ist - die durch-schnittlichen Losgrößen. Die Beziehung zwischen der Losgröße und der Durchlaufzeit ist Gegenstand zahlreicher Untersuchungen. Auf die größte Resonanz sind die Arbeiten von Karmarkar gestoßen, der aufbauend auf unterschiedlichen Annahmen mit Hilfe der Warteschlangentheorie analytische Aussagen über den Zusammenhang zwischen Losgröße und Durchlaufzeit ableitet .

Entscheidungen über die Veränderung des Produktmix (d.h. der Menge der in dem Werk-stattproduktionssystem zu produzierenden Produktarten) treten auf, wenn eine Reorganisation der Produktion durchgeführt wird und alternativ zur Werkstattproduktion Produktionsinseln oder ein flexibles Fertigungssystem eingesetzt werden können. Auch bei der Entscheidung über Eigenfertigung oder Fremdbezug („outsourcing“) ist zu fragen, welche Leistungskenn-größen das Werkstattproduktionssystem mit und ohne ein für den Fremdbezug betrachtetes Produkt aufweist.

Besteht die Möglichkeit, daß einzelne Produkte nach unterschiedlichen Arbeitsplänen mit unterschiedlichen Belastungen der Ressourcen produziert werden, dann kann es günstig sein, die Arbeitspläne, nach denen ein Produkt produziert wird, im Zeitablauf zu variieren. Eine derartige Arbeitsplanoptimierung kann im Hinblick auf die Belastung der Ressourcen günstig sein. Für den Bereich der Flexiblen Fertigungssysteme ist diese Fragestellung bereits intensiv betrachtet worden. Es zeigt sich, daß die Behandlung des Mischungsverhältnisses der Arbeitspläne eines Produkts im Zeitablauf als Entscheidungsvariable positive Auswirkungen auf die Nutzung der Ressourcen und damit auf die Produktionsrate des Werkstattproduktionssystems haben kann. Calabrese und Hausman verknüpfen die Entscheidungen zur Arbeitsplanoptimierung mit den Losgrößenentscheidungen und zeigen anhand von Beispielen das Verbesserungspotential auf.

Entscheidungen über die Kapazität des Transportsystems stehen in engem Zusammenhang mit Transportlosgrößenentscheidungen. Zur Reduzierung der Durchlaufzeiten bietet es sich an, mit der Bearbeitung eines Loses in einer stromabwärts gelegenen Werkstatt bereits zu beginnen, bevor das Los vollständig an dem davorliegenden Arbeitsgang abgeschlossen ist. Diese überlappte Fertigung beeinflußt in Abhängigkeit von der Transportlosgröße die benötigte Kapazität des Transportsystems. Da Transportressourcen hierdurch in unterschiedlicher Weise in Anspruch genommen werden, stellt sich die Frage nach der optimalen Anzahl von Transportmitteln. Auch bei Beantwortung dieser Frage sind die komplexen dynamischen Interaktionen zwischen Transportmitteln und Werkstätten zu beachten, die sich im Auf- und Abbau von Beständen äußern.

Zur Behandlung aller genannten Entscheidungsprobleme werden in der Literatur Optimierungsmodelle formuliert, die zur Bewertung einer Lösungsalternative auf analytische Warteschlangennetzwerke zurückgreifen.

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Literatur

Günther, H.-O. und Tempelmeier, H. (2020). Supply Chain Analytics - Operations Management und Logistik. 13. Aufl., Norderstedt: Books on Demand.